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Drei Monate haben wir nun auf dieser Tour auf dem Balkan verbracht; zählt man Tizians frühere Touren und Reisen hinzu, sind es für ihn nun sogar insgesamt schon rund acht Monate. Daher haben wir uns gedacht, wir stellen mal ein paar Highlights entlang unserer Fahrradtour- und Reiserouten übersichtlich zusammen.
Den Schwerpunkt wollen wir dabei auf schöne und vor allem spektakuläre Routenabschnitte für Radreisende legen (die meisten davon sind sicherlich auch für motorisierte Overlander interessant) und das ganze noch mit ein paar sehenswerten Städten und sonstigen Orten garnieren, die vielleicht nicht jeder sofort auf dem Schirm hat. Um uns etwas Arbeit zu ersparen, haben wir insbesondere Städte wie Ljubljana, Zagreb, Split, Dubrovnik, Mostar, Sarajevo, Belgrad, Ohrid, Bukarest, Odessa, Sofia, Plowdiw oder Istanbul mal hier rausgelassen, da die ja sowieso für jeden, der eine eigene Balkanreise plant, kaum zu übersehen sind.
Außerdem müssen wir uns natürlich auf Routenabschnitte und sehenswerte Orte beschränken, die wir tatsächlich auch selbst schon besucht haben – über andere können wir natürlich nichts sagen. In der Karte unten ist in grauen Linien eingetragen, welche Reiserouten mit dem Fahrrad (durchgezogene Linie) oder Auto (gestrichelte Linie) wir auf dem Balkan abdecken können. Abseits hiervon gibt es allerdings bestimmt auch noch unzählige weitere interessante Ziele.
Schöne Streckenabschnitte
Viele radeln aus Mitteleuropa Richtung Istanbul, aber nur wenige wählen die Route durch das montenegrinische Hinterland. Diesen Fehler sollte man aus unserer Sicht tunlichst vermeiden.
Nach allem, was wir gelesen, gehört und gesehen haben, dürfte die Strecke durch die Piva-Schlucht die spektakulärste des ganzen Balkan sein. Die Straße führt am Steilhang der Schlucht entlang oder – angesichts der nicht weniger als 68 ohne Verkleidung in den Fels gesprengten Tunnel auf einer Strecke von 21 Kilometern – eigentlich vielmehr durch sie hindurch.
Zudem ist die Strecke noch äußerst abwechslungsreich: Aus Bosnien und Herzegowina kommend führt die Straße zu Beginn auf halber Höhe der Felswand rund 50 Meter über dem Fluss entlang, bis man europas höchste Talsperre außerhalb der Schweiz erreicht. Diese staut den Pivsko Jezero auf, sodass der zweite Streckenabschnitt direkt am türkisblauen Wasser liegt. Biegt man rund zwei Kilometer nördlich von Plužine nach links ab, gelangt man auf eine noch kleinere, aber weiterhin asphaltierte Straße, die sich in mehreren Serpentinen am Steilhang entlang nach oben windet, bemüht der Schlucht zu entkommen und die Hochebene des Durmitor-Massivs zu erreichen. Je weiter man die Wand der Schlucht erklimmt, desto atemberaubender wird der Ausblick auf den darunterliegenden See und die umliegenden Gipfel.
Rund um den Shkodra-See gibt es im Prinzip drei Wege, die nach Südosten führen: Eine Straße am Nordufer, eine Straße am Südufer und dann noch die Straße entlang der Adriaküste. Letztere ist vergleichsweise groß und stark befahren und zudem aufgrund der Küstennähe touristisch. Erstere erlaubt nur auf kurzen Abschnitten einen Blick auf den See.
Wer sich hier auf einer Radtour entscheiden muss, dem kann man nur die Strecke entlang des Südufers empfehlen. Die Straße ist ordentlich asphaltiert, aber sehr schmal und kaum befahren – beinahe könnte man sie als Radweg bezeichnen. Das Südufer des Shkodra-Sees ist deutlich bergiger als das Nordufer und so fährt man in der Regel hoch über dem See und hat einen fantastischen Ausblick auf das Wasser, insbesondere an den vielen Stellen, an denen der Hang felsig und karg ist. Gleichwohl gibt es auch hier die Möglichkeit, die 400 Höhenmeter hinunter zum See zu fahren, um an feinen Kiesstränden im See zu baden.
Höhenmeter darf man nicht scheuen, wenn man die Straße südwestlich des Fierzë-Stausees wählt. Und Zeit sollte man auch mitbringen, denn wenn man für die rund 40 Kilometer Luftlinie von Dushaj nach Kukës diese Straße nehmen will, hat man am Ende das dreifache auf dem Tacho – so sehr schlängelt und windet sich die Straße (horizontal wie vertikal) am steilen Hang entlang, der den Fierzë-Stausee begrenzt.
Aber das Ganze lohnt sich definitiv! Die Straße ist überwiegend hervorragend asphaltiert und der Autoverkehr tendiert vor allem im nördlichen Abschnitt (Dushaj–Shëmri) gegen null. Und auch wenn sich der See selbst oftmals hinter Berghängen und Bäumen versteckt sind die Aussichten immer wieder atemberaubend!
Eine kleine, radwegähnliche, exzellent asphaltierte Straße, die sich in – zumindest in Anbetracht der Höhe – mäßiger Steigung durch saftiges grünes Gras schlängelt: Das erwartet einen hier auf dem Durmitor-Massiv. Ringsum stehen über 2000 Meter hohe, felsige Berge spalier, die Straße selbst erreicht ihren höchsten Punkt auf rund 1900 Metern. Es ist wahrscheinlich eine der wenigen asphaltierten Straßen in der Region, die einen über die Baumgrenze hinaus führt und dadurch ganz besondere Aussichten erlaubt. Wer sich mit dem Fahrrad in das Territorium der Bergsteiger begeben möchte, sollte sich diese Straße mal genauer anschauen.
Die Tara-Schlucht ist aus unserer Sicht nicht ganz so spektakulär wie die Piva-Schlucht; wenn man direkt zuvor durch die Piva-Schlucht gefahren ist und die Erwartungen entsprechend hochgeschraubt hat, könnte man beinahe etwas enttäuscht sein. Aber damit tut man der Tara-Schlucht definitiv unrecht; auch sie besticht durch einen rauschenden Fluss in klarstem Türkis, durch steile Felswände und durch vom Steinschlag löchrigen Asphalt. Zudem ist die Đurđevića-Tara-Brücke ein echter Hingucker, der in der Piva-Schlucht so fehlt.
Die touristische Infrastruktur (Campingplätze, Rafting, Zip-Lines) ist in der Tara-Schlucht spürbar besser ausgebaut, gleichzeitig gibt’s in der Piva-Schlucht aber gefühlt einen Tick mehr Verkehr. Aber es muss ja kein entweder-oder sein: Man kann beide Schluchten schließlich wunderbar miteinander kombinieren.
Die Berge im Nordosten Albanien sind unwegsam und spärlich besiedelt – und genau das macht natürlich ihren Reiz aus. Wer das ganze ins Extreme treiben möchte, der biegt auf der Straße von Kukës nach Peshkopi nach rund 15 Kilometern rechts ab und findet sich auf einer unasphaltierten Straße wieder, die direkt am Schwarzen Drin entlang führt.
Die Straßenqualität ist äußerst wechselthaft und über große Teile, vorsichtig ausgedrückt, eine Herausforderung. Dazu kommen drei Steile Abstiege und zwei nicht minder Steile Anstiege. Aber das ist eben das, was man Abenteuer nennt.
Man überquert zweimal den Schwarzen Drin auf rostigen, mit Holzbohlen ausgelegten Brückengestellen und muss meist kurz anhalten, um die spektakuläre Landschaft und Wildnis bewundern zu können, denn beim Fahren fordert die Straße die volle Konzentration ein. Dennoch: Es sind selten die einfachsten Wege, die sich am meisten auszahlen!
Zugegeben: Der überwiegende Teil der griechischen Ägäis-Küste zwischen Kavala und der türkischen Grenze ist nicht übermäßig reizvoll. Insofern man hier unterwegs ist, sollte man umso mehr darauf achten, dass man zumindest dieses kleine Stückchen nicht verpasst. Denn das kann schnell mal passieren, wenn man mit Straßenkarten navigiert und nicht-asphaltierte Wege scheut.
Auch wenn viele Straßenkarten es womöglich verheimlichen: Den Berg an der Küste zwischen den Dörfern Maroneia und Dikella kann man auch auf der Südseite umfahren. Hier gibt es einen kleinen Schotter- und Sandweg, der durch eine felsige Landschaft führt, in der nur verstreut wachsende Olivenbäume Schatten spenden. Würde man den Bäumen nicht ansehen, dass es Olivenbäume sind, erinnert das ein wenig an das Outback Australiens.
Wenn man nicht die schmalsten Reifen aufgezogen hat, sollte der Weg mit dem Fahrrad problemlos zu passieren sein; dennoch ist es ein einsames Fleckchen. Zwar sind wir damals nicht bis zu den einsamen Stränden hinunter zum Meer gefahren und haben dort gezeltet, aber wahrscheinlich war das ein Fehler. Aber auch so blieb die wüstenähnliche Landschaft und die Aussichten auf die Ägäis äußerst positiv in Erinnerung.
Die Morača-Schlucht ist die tiefste der Schluchten in Montenegro und natürlich entsprechend beeindruckend. Leider war die Straße 2013 relativ stark befahren, da sie die Hauptverkehrslast zwischen Serbien und der montenegrinischen Küste trägt. Zum Glück für zukünftige Radreisende ist das nun wohl besser geworden, da mit chinesischer Hilfe die parallele Autobahn fertiggestellt wurde. Leider haben wir das auf dieser Tour erst im Nachhinein erfahren, nachdem wir uns für eine alternative Route entschieden haben (die jedoch durch die sehenswerte Cijevna-Schlucht auf der albanischen Seite des Gebirges führt, sodass wir dem nicht allzusehr hinterhertrauern).
Der stärkere Verkehr sorgte 2013 immerhin dafür, dass die Morača-Schlucht nicht nur aufgrund der Landschaft berühmt-berüchtigt ist, sondern auch aufgrund der häufigen Unfälle. Für diejenigen, die das Glück haben, in keinen solchen verwickelt zu werden, macht sich diese Tatsache dennoch aufgrund der massenhaften „Auto Šlep“-Werbung bemerkbar, die mit Schablone und Grafitti auf Felsen, Leitplanken, Schilder und auch direkt auf die Straße gesprüht wurde.
Gut möglich, dass diese Route angesichts des geringeren Verkehrs heutzutage einen deutlich besseren Platz verdient hätte. Aber da wir diesbezüglich eben keine First-Hand-Erfahrungen gemacht haben, bleibt nur der ebenfalls sehr respektable achte Platz.
Es gehört eine gewisse Portion Masochismus dazu, die Drežanka-Schlucht (zwischen Blidinje Jezero und Neretva) mit dem Fahrrad zu befahren. Denn hierbei geht’s fast 1000 Meter auf einer richtig miesen Schotterstraße sehr steil bergab (bzw. in der anderen Richtung berhauf). Das ist weder effizient noch schont es das Fahrrad, doch entsprechend sicher kann man sich sein, dass nur die wenigsten in den Genuss der grandiosen Aussichten in die Drežanka-Schlucht hinein kommen werden, wie man sie von diesem Weg aus mit seinen unzähligen Serpentinen hat.
Die Cijevna-Schlucht ist eine Alternative zur parallelen Morača-Schlucht und als letztere noch stark befahren war (also bevor die parallele Autobahn fertiggestellt wurde, die die Morača-Schlucht stark entlastet) war es womöglich auch die fahrradfreundlichere Variante. Allerdings war sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchweg asphaltiert.
Heute ist das anders: Frischer Asphalt führt von der montenegrinischen Grenze bei Gusinje bis zum Shkodra-See oder, wenn man der Schlucht über die erst kürzlich eröffnete Grenze zurück nach Montenegro folgt, bis nach Podgorica. Der Verlauf der Straße gleich dabei einer Achterbahn: Immer wieder gibt es kurze, sehr steile Abschnitte und enge Kurven und dabei ist die Straße meist auch ziemlich schmal.
Die Schlucht ist teilweise nur spärlich bewachsen, die Berghänge bestehen nicht selten aus blankem Fels. An heißen Sommertagen kann man sich an diversen Stellen in der Cijevna abkühlen und dabei dann oftmals durch kleine Miniatur-Schluchten an steilen, mehreren Metern hohen Felswänden vorbei schwimmen.
Die Landschaft zu den Ufern der Donau ist praktisch über ihre gesamte Länge womöglich schön, aber nicht sonderlich spektakulär. Von dieser Regel gibt es allerdings eine Ausnahme: Das Eiserne Tor.
Das Eiserne Tor ist der Canyon, mit dem die Donau die Karpaten durchbricht. In dieser Nähe zur Mündung ist die Donau normalerweise rund einen Kilometer breit. Das Eiserne Tor jedoch pfercht sie auf bis zu 200 Meter zusammen; der Fluss ist daher teilweise über 50 Meter tief.
Im Eisernen Tor verläuft die serbisch-rumänische Grenze direkt in der Mitte der Donau und sowohl entlang des serbischen wie auch den rumänischen Ufers verläuft eine Straße. Welche sich besser zum Radfahren eignet, können wir nicht beurteilen; vermutlich wäre auf beiden Seiten etwas weniger Verkehr ganz angenehm. Die Blicke hinab in die Donau-Schlucht machen diese Manko aber wett.
Die Bucht von Kotor erfüllt alle Eigenschaften, die man von der Adriaküste erwartet: Touristisch, teuer, viel Verkehr. Wer eine Herausforderung nicht scheut, kann dem jedoch entfliehen und dabei vermutlich den besten Blick auf die Bucht erhaschen.
Nicht weniger als Sechzehn 180°-Serpentinen sind nötig, um die 500 Höhenmeter zu überwinden. Da die erste Serpentine bereits auf 400 Metern liegt, kommt man letztendlich bei 900 Metern oberhalb der Bucht raus und kann den Kreuzfahrtschiffen beim Anlegen in Kotor zuschauen. Und all das aus sicherer Entfernung, weit weg von allem Negativen, was der Massen- und Kreuzfahrttourismus so mit sich bringt.
Viele Wege führen einen vom Norden Bosnien und Herzegowinas in Richtung Sarajevo oder Mostar, doch man muss aufpassen, dass man sich nicht auf einer schmalen Straße durch eine Enge Schlucht wiederfindet, auf der auch viele LKW und PKW nach Süden kommen wollen. Eine landschaftlich sehr reizvolle Alternative ist die Route Martin Brod–Drvar–Glamoč.
Nördlich von Drvar ist die Straße von Buschwerk eingerahmt, zwischen Drvar und Glamoč wachsen Büsche dann nur noch vereinzelt und weites Grasland herrscht vor. Es ist allgemein eine der am dünnsten besiedelten Regionen des Landes und dankt der fehlende Bäumen und Büsche sieht man das hier auch: kilometerweit keine Menschenseele.
Die Straße ist zwischen Drvar und Glamoč abschnittsweise nicht asphaltiert, aber als wir dort waren, war sie gerade neu gewalzt worden und war entsprechend recht leichtgängig zu befahren. Von den vielen Nord-Süd-Strecken in Bosnien und Herzegowina ist dies sicherlich eine der schönsten.
Das spezielle an dieser Straße ist, dass sie praktisch auf dem Grat des Berges entlang führt und somit nicht nur einen Sattelpunkt überwindet, wie es andere Passstraßen in der Regel tun. Dies führt dazu, dass man an manchen Stellen gleichzeitig beidseitig der Straße hinunter in die parallelen Tälern schauen kann. Für eine gut asphaltierte, nicht übermäßig steile Straße, ist dies schon ziemlich einzigartig. Und dank der paralleln Autobahn, die unten durch einen Tunnel führt, herrscht auf dieser Straße auch noch so gut wie kein Verkehr.
Von Tirana zum Ohridsee gibt’s drei alternative Routen: Die Nordroute (Tirana–Bulqizë–Debar–Struga), die mittlere Route (Tirana–Elbasan–Librazhd–Prrenjas) und die Südroute (Tirana–Elbasan–Gramsh–Maliq–Pogradec).
Die Nordroute hat zwischen Tirana und Klos ihren Reiz, ist ansonsten aber, ebenso wie die mittlere Route, vergleichsweise langweilig und führt zudem über die größeren Straßen. Und wer nicht unbedingt so schnell wie möglich vorankommen muss, für den gibt’s eigentlich keinen Grund, die mittlere Route zu wählen.
Vor allem für Radfahrer ist die Südroute mit Sicherheit die beste Wahl: Sie führt über die verkehrsärmsten Straßen und durch die schönsten Landschaften und ist zum größten Teil gut asphaltiert (nur ein paar Kilometer westlich von Maliq sind Schotter). Sie führt entlang der Stauseen Banjë und Moglicë und durch enge, felsige Schluchtenabschnitte des Flusses Devoll. Obwohl man jedenfalls hinter Elbasan fast durchgängig am Devoll entlang fährt, verschont einen das nicht vor recht steilen Abschnitten, etwa, um den Höherunterschied der Staumauern zu überwinden. Doch das erlaubt eben auch immer wieder wechselnde Perspektiven auf den Fluss und die einsame Berglandschaft.
Die Fernstraße entlang der kroatischen Adriaküste, die „Jadranska Magistrala“ gilt als eine der malerischsten Küstenstraßen weltweit. Die Küste ist meist schroff und bergig, die Straße entsprechend kurvenreich und die Aussichten auf die Adria und vor allem auch die der Küste vorgelagerten Inseln sind wirklich sehr sehenswert.
Dennoch würde ich persönlich diese Strecke für Radfahrer nur eingeschränkt empfehlen. Durch den verbreiteten Tourismus an der kroatischen Küste ist die Straße verkehrsreicher, als angenehm wäre. Hinzu kommen allgemein höhere Preise (insbesondere für Unterkünfte) und eine schwierigere Wildcamping-Situation. Wie überall auf der Welt nimmt auch hier die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der einheimischen Bevölkerung mit zunehmendem Tourismus ab. In all diesen Punkten ist das kroatische Hinterland das genaue Gegenteil: Verkehrsarme Straßen, günstige Preise, vielfältige Wildcamping-Möglichkeiten und sehr freundliche Menschen. Meiner Meinung nach sollte man sich nicht so sehr von der Strahlkraft der Jadranska Magistrala blenden lassen, dass man die Vorzüge des kroatischen Hinterlands übersieht.
Sehenswerte Städte
Von der Istanbul-Tour 2013 ist Tirana als uneuropäischte Stadt der Tour in Erinnerung geblieben. Hier herrschte auf den Straßen das größte Chaos, die Bordsteine waren am kaputtesten, die Wege am staubigsten und das Durcheinander in den Stromkabeln, die oberirdisch durch die Stadt geführt wurden und von wo sich offenbar jeder einfach selbst eine Leitung ins eigene Haus legt, war am größten. Das erste moderne Hochhaus, der TID Tower, war 2013 gerade erst im Bau.
Seither hat sich die Stadt ganz schön gemacht. Der zentrale Platz wurde aufgeräumt, Straßen wurden in Fußgängerzonen umgewandelt, aus staubigen, vermüllten Wiesen auf Verkehrsinseln wurden ordentliche Parkanlagen mit Bäumen und Bänken. Und neben diversen Hochhaus-Neubauten geht der TID Tower mittlerweile geradezu unter. Ob diese Änderungen aus touristischer Sicht die Stadt nun schöner oder doch eher langweiliger und austauschbarer machen, ist wohl eine Geschmacksfrage.
Der Kontrast zwischen dem sozialistischem Prachtboulevard und dem modernen Zentrum mit Hauptplatz und Park, zwischen eher etwas schäbigen Nebenstraßen und modernen Hochhäusern, zwischen teuren Szene-Bars im hippen Regierungsviertel und den sehr günstigen Restaurants etwas außerhalb davon machen die Stadt aus unserer Sicht aber weiterhin sehr sehenswert.
Tiraspol ist die Hauptstadt des de-facto-Regimes Transnistrien, ein russisch dominierter, abtrünniger Landesteil Moldawiens. De-facto-Regime heißt, dass Transnistrien zwar von keinem anderen Staat der Welt anerkannt wird, in der Praxis aber ein vollständig unabhängiger Staat ist, mit allem was dazu gehört: Eigene Grenzsicherung und Einreisebestimmungen, eigene Polizei, eigene Währung. Auch Russland erkennt Transnistrien zwar nicht als unabhängigen Staat an, unterstützt das Regime aber dennoch unter Anderem militärisch.
In Transnistrien, so sagt man, sei die Sowjetunion noch so lebendig, wie nicht einmal mehr in Russland. Da ich noch nie in Russland war (und im Übrigen auch nicht in der Sowjetunion), kann ich das nicht beurteilen, aber zumindest Teile der Architektur, die übergroße Lenin-Statue, die Uniformen der Grenzpolizei und die uralten Oberleitungsbusse kommen meiner Vorstellung von der Sowjetunion schon sehr nahe.
Neben diverser Denkmäler (und alter Panzer) und dem allgemeinen Sowjet-Flair gibt es ein paar Kilometer südlich der Stadt das Kloster Kitskany. Wenn man etwas hartnäckig ist und ein paar Rubel als Spenden da lässt, lassen einen die Mönche auf den Turm hochsteigen.
Transnistrien ist kein Land wie jedes andere und somit ist auch die Hauptstadt Tiraspol keine Stadt wie jede andere. Beides sind definitiv Reiseziele, an die man sich noch lange erinnern wird.
Mag sein, dass manch einer an der Stadt nichts besonderes findet und sie als weitere langweilige, touristisch unbedeutende Hauptstadt eines kleinen Landes abtut. Aber mir hat sie wirklich gut gefallen. Sie hat schöne, gemütliche Parkanlagen zu bieten und viele der Straßen sind gesäumt von Alleen, was die Stadt erstaunlich grün macht. Auch die Restaurant-Besuche in der Stadt (vor allem dieses georgische Restaurant) habe ich positiv in Erinnerung. Für mich war es die perfekte Stadt, um am Ende einer langen Reise etwas auszuruhen.
Wer möchte, kann aber auch in einen Trubel eintauchen, der seines Gleichen sucht: Da ist zum einen der große Markt, auf dem man alles, wirklich alles mögliche kaufen kann (zum Beispiel eine 2 × 10 Meter große Plastikplane, um sein Fahrrad für den Rückflug einzuwickeln). Und dann noch der Busbahnhof. Der komplette Öffentliche Verkehr in Moldawien wird über weiße Mercedes-Sprinter-Kleinbusse abgewickelt und so stehen unzählige dieser Gefährte auf dem Parkplatz des Busbahnhofs und befahren und verlassen diesen im Sekundentakt.
Skopje ist definitiv eine außergewöhnliche Stadt. Ob im positiven oder negativen Sinne, da mögen sich die Geister scheiden, aber als solche besitzt sie zweifelsohne touristischen Wert, zumindest, wenn man die Hintergründe kennt und einordnen kann.
Seit dem antiken Makedonien Alexanders des Großen gab es kein Land „Mazedonien“ mehr, bis nach dem Zweiten Weltkrieg unter diesem Namen eine eigene Teilrepublik innerhalb des sozialistischen Jugoslawiens geschaffen wurde. Und auch das Volk der Mazedonier wurde zu diesem Zeitpunkt praktisch wieder erfunden, denn erst hiernach betrachtete man die Bevölkerung des Gebiets nicht mehr als Bulgaren oder Südserben, sondern eben als Mazedonier. Nach der Unabhängigkeit im Rahmen des Zerfalls Jugoslawiens begann die mazedonisch-nationalistische Partei VMRO-DPMNE (in den Zeiträumen, in denen sie an der Macht war), sich wieder auf das antike Makedonien zu beziehen und dem kleinen, jungen, slawischen Staat eine große antike Vergangenheit anzudichten. Und das alles sehr zum Ärger Griechenlands, dass die antiken Makedonier als Hellenen betrachtet. Außerdem liegen große Teile der geografischen Region Makedonien auch heute noch auf griechischem Gebiet und Griechenland fürchtet Gebietsansprüche von Seiten Mazedoniens (mehr zu diesen Hintergründen in Podcast-Episode 10).
Dies hielt die VMRO-DPMNE im Jahr 2010 jedoch nicht davon ab, das Projekt Skopje 2014 zu initiieren, in dem die Hauptstadt des Landes komplett umgebaut werden sollte. Fassaden von repräsentativen Gebäuden wurden nach antikem Vorbild umgestaltet und mit griechischen Säulen versehen und es wurde eine Unmenge an Statuen von mehr oder eher minder bekannten Mazedonischen Malern, Autoren und Musikern aufgestellt sowie von dem byzantinischen Kaiser Justinian I. oder dem bulgarischen Zaren Samuil, die mit Mazedonien nicht mehr zu tun haben, als dass sie halt vor hunderten von Jahren zufällig auf dessen heutigem Territorium geboren wurden. Und dann gibt es noch die 25 Meter hohe, rund 7,5 Millionen Euro teure Reiterstatue, die ihr Schwert hoch zum Angriff erhebt und auch wenn sie einfach nur „Warrior on a Horse“ genannt wurde, ist jedem klar, dass sie Alexander den Großen darstellen soll.
Insgesamt wurde so rund 5 % des jährlichen BIP verwendet, um die Stadt in ein Disney-Land zu verwandeln, von dem die zum großen Teil arme Bevölkerung nur so mittel profitiert. Das ist definitiv sehr sehenswert, aber wenn man die Hintergründe nicht kennt, kann man auch tatsächlich ins Disney-Land gehen.
Höhepunkt von Kultur und Architektur ist in der Stadt Bihać die Kirche des heiligen St. Antonius, deren Schiff im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, sodass nurmehr die Front mit Kirchturm zwischen großen alten Bäumen steht und teils selbst auch schon überwuchert ist. Setzt man den Kirchturm fotografisch gut in Szene, erinnert es damit fast ein wenig an Angkor Wat.
Allerdings ist es nicht Kultur und Architektur, die die Stadt zu etwas Besonderem machen. Es ist die Una, der Fluss, der mitten durch die Stadt fließt, dabei unzählige kleine Wasserfälle überwindet und zudem diverse größere und kleinere Inseln bildet. Auf den Inseln stehen keine Gebäude, dennoch sind viele mit Fußgängerbrücken verbunden. So kann man über die Inseln spazieren und auf Parkbänkchen inmitten der Una der Stadt zuschauen.
Außerdem kann man in der Una baden – entweder direkt im Stadtzentrum oder aber rund einen Kilometer nördlich davon (bei 44.821712, 15.869936). Hier führt ein Holzsteg zu einer ganzen Wasserfallfront und man kann am Kamm der Wasserfälle entlang klettern oder eben einfach ins (erstaunlich klare) Wasser springen.
Und trotz alledem ist Bihać den internationalen Touristen offenbar weitgehend unbekannt geblieben.
Prilep liegt am östlichen Rand im Norden der Pelagonischen Ebene und somit zu Fuße einer Bergkette, die eben jene – rund 20 Kilometer breite und knapp 100 Kilometer lange – Ebene ringsrum begrenzt. Und dort, wo Prilep liegt, ist diese Bergkette besonders schroff und felsig ausgestaltet.
Das Highlight der Stadt sind die „Marko’s Towers“, eine alte Festungsanlage des serbischen Königs Marko aus dem 14. Jahrhundert. Sie wurden auf bzw. an einem spitzen, felsigen Hügel direkt nördlich der Stadt errichtet. Als wir 2022 die rund 200 Höhenmeter auf den Hügel hinaufwandert sind, lagen die Ruinen verlassen da: Es gab keine Zäune, keine Schilder, keine Tickets, keine Aufseher, keine Regeln. Und so konnte man ungehindert auf den teils noch erstaunlich gut erhaltenen Mauerwerken herumklettern. Von der Felsspitze hat man schließlich einen wirklich spektakulären 360°-Blick über die Stadt zu seinen Füßen, die Pelagonische Ebene und die Bergketten außenherum.
Prilep ist außerdem bekannt für den Anbau von Tabak (vor allem im Spätsommer und Herbst hängen überall Tabakblätter zum Trocknen herum) und für den Abbau des weißesten Mamors der Welt (der auch beim Bau des Weißen Hauses in Washington zum Einsatz kam, in Prilep aber auch zum Aufschottern von Fußwegen verwendet wird).
Banja Luka ist eine der Städte, bei denen es nicht so viel zu sehen gibt, sodass es nicht stressig wird (und es auch kaum Touristen in die Stadt schaffen), aber dennoch auch genug, dass es nicht langweilig ist.
Abgesehen davon, dass die verfeindeten Volksgruppen sich gegenseitig ihre Gotteshäuser angezündet und zerstört haben, blieb die Stadt im Balkankrieg weitgehend verschont. Die neuesten Gebäude sind daher wohl die Moschee und die orthodoxe Kirche. Beide sind von übersichtlicher Größe, aber nett anzusehen und zu besuchen. Da wir als Touristen wohl ein bisschen etwas besonderes waren, haben wir damals sogar spontan eine kleine Führung durch die Moschee bekommen.
Daneben gibt es eine alte Befestigungsanlage, auf der man recht frei herumklettern kann und eine Markthalle mit Fan-T-Shirts für mehr oder auch weniger verehrenswerte Autokraten (Tito, Putin, Mladić).
Edirne ist heutzutage das Tor zur Türkei und als solches wahrlich kein schlechter Vorgeschmack für Istanbul. Nicht nur, dass man sich in den vollen Fußgängerzonen gleich schon mal an den Trubel gewöhnen kann. Auch die osmanische Architektur ist bereits fast so beeindruckend wie in Istanbul. Immerhin war auch Edirne schließlich jahrzehntelang Hauptstadt des osmanischen Reiches, ehe Konstantinopel 1453 erobert werden konnte. So gibt es vor allem große Moscheen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die ähnlich prächtig wie jene in Istanbul sind, aber nicht so überlaufen (wobei es auch in Istanbul so viele große Moscheen gibt, dass bei weitem nicht alle von den Touristen überrannt werden). Dazu kommen die unzähligen alten Brücken rings um die Stadt, die selbige über die Flüsse Meric und Tunca erschließen.
Sonstige Tipps
Natürlich hat jeder diese Seen auf dem Zettel, der in den Balkan reist, dennoch auch hier kurz noch ein Wort dazu: Im Sommer ist es heutzutage teuer (rund 40 Euro) und normalerweise komplett überlaufen. Das Eintrittsgeld lohnt sich praktisch nur, wenn es in Strömen regnet, sodass man außnahmsweise nicht von den Touristenmassen über die Stege geschoben wird (und Regen ist auch gar kein schlechter Rahmen für die dschungelartige Szenerie). Alternativ kann man die Seen für 10 Euro auch im Winter besuchen. Da ist vielleicht nicht alles ganz so üppig grün wie im Sommer, trotzdem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich besser.
Zu den eigentlichen Seen ist überall sonst sicherlich schon genug geschrieben worden: Natürlich ist die Landschaft einzigartig, mit interessant zu bewandernden Wegen und Stegen hervorragend erschlossen und grundsätzlich absolut sehenswert.
Auf der höchsten Spitze eines Bergmassivs zu stehen ist ein Vergnügen, dass einem als Radfahrer in der Regel verwehrt bleibt. Im Durmitor-Massiv kann man dieses Ziel immerhin erreichen, indem man das Fahrrad in der Unterkunft stehen lässt und die Wanderschuhe schnürt.
Der Bobotov Kuk ist mit 2523 Metern der höchste Berg des Durmitor-Massivs und er kann grundsätzlich auch von Laien und ohne Kletterausrüstung erklommen werden (auch wenn uns dabei durchaus auch Leute mit Kletterhelmen und Seilen entgegengekommen sind). Leider stand der Gipfel in den Wolken, als wir dort waren, sodass uns die entlohnende Aussicht verwehrt blieb. Aber auch für den Nervenkitzel des Kletterns an sich hat sich das ganze schon gelohnt.
Außerdem gibt es auf dem Weg zum Bobotov Kuk schöne schmale Wanderwege durch sehr abwechslungsreiche Landschaften: Entlang an Seen, durch Wälder und schließlich hinauf über die Baumgrenze, durch mit Wiesen bewachsene, weite Täler und über Gerollfelder hinweg.
Eine militärische Sehenswürdigkeit, durch die man mit dem Fahrrad (oder auch mit dem Auto) hindurchfahren kann, gibt es nicht alle Tage. Einen Besuch in der Željava Airbase wird man daher wohl nicht mehr so schnell vergessen.
Die Airbase stammt aus den 60er Jahren und wurde von der Sozialistischen Föderation Jugoslawien mitten auf der Grenze der Teilrepubliken Kroatien und Bosnien-Herzegowina errichtet. Hier gehen hohe Berge in einem abruptem Knick in eine weite, flache Ebene über. Und das ist genau das, was man braucht für einen unterirdischen Flughafen. Ein Netz aus Tunneln wurde mehrere hundert Meter in den Berg hinein gesprengt, breit genug, um militärische Flugzeuge unterzubringen und so vor feindlichen Angriffen geschützt abzustellen. Direkt vor den Tunnelausgängen beginnen jeweils verschiedene Start- und Landebahnen, sodass direkt aus den Stollen heraus gestartet werden konnte.
In den Jugoslawienkriegen hat die Jugoslawische Volksarmee den Flughafen unbrauchbar gemacht und verlassen. Auf bosnischer Seite wird er wohl noch heute als militärischer Übungsplatz genutzt, doch die kroatische Seite lässt sich von Jedermann besuchen.
Wir haben vorab diverse Hinweise im Internet gefunden, denen zufolge es von der Polizei angeblich nicht gerne gesehen wird, dass man auf der Airbase herumspaziert oder dass man einen Besuch vorab bei der Polizei anmelden sollte. Als wir im Juli 2022 dort waren, war nichts davon nötig und die Polizei (die durchaus präsent war) hat sich nicht um uns geschert.
Und so konnten wir ungehindert die zwei Kilometer langen, verwaisten Start- und Landebahnen entlangradeln, auf einem alten Bomber herumklettern und natürlich die Tunnel erkunden. Diese sind unbeleuchtet und stockdunkel und man muss auf plötzliche Löcher im Boden und aus der Decke ragende Stahlstangen aufpassen. Aber natürlich ist es eine absolut einmalige Sache, mit dem Fahrrad (oder Auto) in den riesigen Bunkerhallen eines unterirdischen Militärflughafens herumzufahren!
Am südöstlichen Rande der Karpaten hat heißer Schlamm eine kleine Mondlandschaft gebildet. Aus vielen kleinen Vulkanen und Kratern blubbert der Schlamm, fließt den Kegel hinunter und trocknet schließlich aus. Wer von der ESA/NASA nicht genommen wurde, aber trotzdem gerne Bilder von sich hätte, wie er auf dem Mond steht, der sollte das hier mal ausprobieren.
Die Vulkane sind nicht übermäßig bekannt und liegen wohl auch etwas ab vom Schuss der üblichen Touristenrouten, sodass man gute Chancen hat, alleine die Mondlandschaft erkunden zu können.
Orheiul Vechi ist ein orthodoxes Höhlenkloster und eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Moldawiens. Der Fluss Răut bildet hier eine 180°-Schleife und inmitten dieser Schleife befindet sich ein Berg, der auf der einen Seite eine steile Felswand bildet und auf der anderen Seite eher flach abfällt. Und durch diesen Berg hat man nun Tunnel gegraben: Der Einstieg ist auf der leicht zu erreichenden flachen Bergseite, doch der Tunnel führt geradewegs durch den Berg hindurch und endet an einem Felsvorsprung in der Felswand auf der anderen Seite. Dieser nur über die Höhle zugängliche Felsvorsprung bietet eine gute Aussicht auf den darunterliegenden Fluss und das Umland. Die Höhlen selbst sind dabei als orthodoxe Kirchen und Gebetsräume ausgestaltet. Wer in die Höhlenräume hinein will, muss ggf. bei einem der Mönche nachfragen, ob er die Tür zur Höhle aufschließt.
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